Endet Englands Titel-Leidenszeit in Berlin?

Die Three Lions haben es also wieder geschafft! England steht wie bei der EM 2021 im Endspiel einer Europameisterschaft. Und wie schon vor drei Jahren bekommen es die Stars von Trainer Gareth Southgate mit der bis dato besten Mannschaft des Turniers zu tun. Im diesjährigen Endspiel wartet mit Spanien der ultimative Endgegner, der im Turnierverlauf sämtliche Konkurrenten in die Schranken gewiesen und auf allen Ebenen überzeugt hat.

Holpriger Weg ins Finale

It’s coming home! Bei jedem großen Turnier singen die Engländer ihr Lied und hoffen endlich wieder auf eine Trophäe. Seit dem Triumph bei der WM 1966 müssen die englischen Fans bereits satte 58 Jahre auf einen weiteren Turniersieg warten. Bereits mehrmals schrammten die Kicker von der Insel haarscharf daran vorbei. So auch beim EM-Finale 2021, als man sich Italien im Elfmeterschießen geschlagen geben musste.

Ob die Three Lions diesmal das bessere Ende haben? Im bisherigen Turnierverlauf konnte England jedenfalls nicht überzeugen. In der Gruppenphase gab es neben dem mageren 1:0-Sieg gegen Serbien zwei Unentschieden (1:1 gegen Dänemark, 0:0 gegen Slowenien). Im Achtelfinale waren die Engländer gegen die Slowakei dann eigentlich schon ausgeschieden, ehe Jude Bellingham mit einem sehenswerten Fallrückzieher in der 95. Minute seine Mannschaft in die Verlängerung gerettet hatte. Dort sorgte Harry Kane bereits eine Minute nach Anpfiff für die Entscheidung zum 2:1.

Weltklasse: Bellingham rettet England per Fallrückzieher. Foto: IMAGO/AFLOSPORT

Three Lions sorgen für reichlich Drama

Im Viertelfinale gegen die Schweiz wurde es dann mindestens genauso eng. Zunächst war es Bukayo Saka, der in der 80. Minute den 0:1-Treffer durch Embolo egalisiert hatte. Nach einer torlosen Verlängerung ging es ins gefürchtete Elfmeterschießen, wo England aber sämtliche Nerven im Griff hatte und alle fünf Penaltys verwandelte. Im Halbfinale gegen die Niederlande zeigten die Three Lions dann ihre beste Turnierleistung. Doch auch hier musste man einem Rückstand hinterherlaufen – wenn auch nicht allzu lange. Den frühen Treffer von Xavi Simmons steckten die Briten gut weg und nur elf Minuten später gelang Harry Kane per Elfer der Ausgleich. Der eingewechselte Ollie Watkins schoss England in der 90. Minute ins Finale.

Späte Tore sind also die Spezialität der Inselkicker bei dieser Endrunde in Deutschland. Englands König Charles III. würde auf ein weiteres Last-Minute-Drama gerne verzichten: „Ich darf euch ermutigen, den Sieg ohne Wundertore in letzter Minute oder Elferdramen zu fixieren, denn ich bin sicher, dass dann die Belastung für die kollektive Herzfrequenz und den Blutdruck der Nation gemildert werden würde“, sagte der König nach dem Triumph gegen die Niederlande scherzhaft.

Spanien lässt sofort aufhorchen

Für ein Last-Minute-Drama war Final-Gegner Spanien bisher nur einmal bei dieser EM zu haben. Im Viertelfinale gelang der Furia Roja gegen den Gastgeber in der 119. Minute der entscheidende Treffer zum 2:1-Sieg. Aber der Reihe nach.

Bereits im ersten Spiel bei dieser EURO ließen die Spanier ihre ganze Klasse aufblitzen: Die Iberer ließen Kroatien keine Chance, führten nach Treffern von Alvaro Morata, Fabian Ruiz und Dani Carvajal bereits zur Halbzeit mit 3:0. Dies war auch gleichzeitig der Endstand. Im zweiten Gruppenspiel kam es dann zum Kracher gegen Italien. Die Spanier dominierten das Spiel gegen die Squadra Azzurra über 90 Minuten und siegten mit 1:0. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hatten viele die Spanier als ganz großen Turnierfavoriten auf dem Zettel. Im dritten und letzten Gruppenspiel ließ der „zweite Anzug“ der Furia Roja gegen Albanien nichts anbrennen und siegte ebenfalls mit 1:0.

Souverän: Spanien zog ungefährdet durch die Gruppenphase. Foto: IMAGO

Gezittert wurde nur gegen den Gastgeber

Das erste Gegentor kassierten die Iberer im Achtelfinale gegen Georgien. Erzielt hat es aber ein Spanier: Robin Le Normand schoss den Ball nach 18 Minuten ins eigene Tor. Die Reaktion war aber stark: Zunächst besorgte Rodri vor der Pause den Ausgleich, ehe in der zweiten Hälfte Fabian Ruiz, Nico Williams und Dani Olmo einen klaren 4:1-Sieg fixierten.

Im Viertelfinale gegen Deutschland folgte das bis dato dramatischste Spiel mit spanischer Beteiligung. Dani Olmo schoss Spanien kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit in Führung. Diese hielt bis zur 89. Minute, ehe Florian Wirtz mit seiner Leverkusen-Last-Minute-DNA, das Gastgeberland in die Verlängerung gerettet hatte. Ins Elfmeterschießen ging die Partie allerdings nicht, weil Mikel Merino mit einem Weltklasse-Kopfball in der 119. Minute die Deutschen aus dem Turnier kickte.

Im Halbfinale gegen Frankreich schlug dann erstmals die große Stunde von Spaniens Wunderkind Lamine Yamal. Nach der starken Anfangsphase der Franzosen befürchteten manche Spanier aber ein hartes Stück Arbeit. Randal Kolo Muani hatte Frankreich in der 9. Minute nach Mbappe-Flanke in Führung geköpfelt. Und die Antwort der Spanier? Die war gewaltig! Lamine Yamal ließ eine bis dahin schier unbezwingbare französische Defensive alt aussehen und zirkelte den Ball aus 25 Metern sehenswert ins Tor. Nur vier Minuten später netzte Dani Olmo zum 2:1-Endstand ein.

Spanien greift nach viertem EM-Titel

Aufgrund der überzeugenden Auftritte im bisherigen Turnier geht Spanien als Favorit ins Endspiel in Berlin. Zudem liegt der Druck mehr bei den Three Lions. Die Sehnsucht nach dem ersten EM-Titel auf der Insel ist groß, jeder erwartet sich nun, dass der Pokal endlich nach Hause kommt. Das wird den Druck auf die englischen Stars noch größer werden lassen.

Spanien wiederum könnte am Sonntag mit dem vierten Gewinn der EM zum alleinigen Rekordhalter avancieren. Aktuell hält man wie Deutschland bei drei Titeln.

Das bislang letzte direkte Duell zwischen den beiden Nationen bei einer EM-Endrunde liegt bereits 28 Jahre zurück. Dafür endete dieses mit einem sehr emotionalen Sieg der Three Lions bei der Heim-EM 1996. Nach einem torlosen Viertelfinale über 120 Minuten musste im Elfmeterschießen eine Entscheidung her. Schlussendlich setzte sich England mit 4:2 durch und zog ins Halbfinale ein, wo dann allerdings gegen Deutschland Endstation war.

Prognose: Spanien ist zwar Favorit, ein eindeutiges Spiel darf man sich aber nicht erwarten. Zudem haben die Engländer zahlreiche Weltklasse-Akteure, die im Fall der Fälle auch in der letzten Sekunde per Fallrückzieher treffen können (Bellingham gegen die Slowakei). Aufgrund der bisherigen Leistungen sollten sich die Spanier aber auch in dieser Partie durchsetzen und den vierten EM-Titel der Geschichte bejubeln können.