EL-Clasico und wenig überzeugende CL-Absteiger
Kein Duell prägte die Zwischenrunde so sehr wie das Aufeinandertreffen von AS Roma und Feyenoord. In nicht einmal zwei Jahren kreuzten sich die Wege der zwei Clubs zum bereits fünften Mal. Ein Clasico des europäischen Fußball-Unterhauses möchte man meinen. In Rotterdam würden sie gerne diese Sichtweise teilen, wenn da bloß nicht die traumatischen Erfahrungen wären. Vier Mal wurden die Niederländer von den Römern in der Endrunde eliminiert, unter anderem im Conference League Finale 2022.
Rotterdam war nicht der einzige Absteiger aus der Königsklasse, der enttäuschte. Galatasaray, Lens und Braga galten als favorisiert und konnten sich gegenüber den Gruppenzweiten der Europa League nicht durchsetzen. Benfica und Milan überzeugten ebenfalls nur bedingt. Es ist davon auszugehen, dass weitere Überraschungen folgen werden. Zumal ein üblicher Verdächtiger gar nicht dabei ist: der sechsfache und aktuell noch amtierende EL-Meister Sevilla!
Hurra, Sevilla ist nicht da! Wer gewinnt denn nun?
Als klar war, dass sich die Spanier von der Champions League nicht in ihren Lieblingswettbewerb retten können, herrschte bei den übrigen Teilnehmern große Erleichterung. Am meisten wird Liverpool davon profitieren. Die Reds waren schon 2015/16 haushoher Favorit und unterlagen – wie sollte es anders sein – den Sivillistas im Finale. Ihr größter Rivale heißt stattdessen Bayer Leverkusen. „Mittlerweile“ muss dazu erwähnt werden, denn vor Beginn der Gruppenphase ahnte kaum jemand, wie stark der Bundesligist noch werden wird.
Xabi Alonsos Truppe spielt Edelfußball der Königsklasse und müsste angesichts der Qualität in der Champions League Endrunde stehen. Weshalb das Duell Leverkusen-Liverpool fast unausweichlich scheint und der Weg zum Titel nur über die zwei Clubs führen kann. Sollte es einem Mitbewerber gelingen, einen der beiden Topfavoriten aus dem Wettbewerb zu schmeißen, ist es fast die Pflicht des Bezwingers, zumindest das Endspiel zu erreichen.
Erweiterte Favoritenkreis: Wer gehört dazu?
Milan muss nicht übermäßig gut spielen, um sie immer auf dem Zettel zu haben. Die Roma ist seit Mourinhos Abgang zum neuen Leben erwacht und peilt in der Liga sogar die CL-Ränge an. Brighton hat vorher noch nie in einem Turnier jenseits der Landesgrenzen gespielt, weswegen die Seagulls alles in die Waagschale werfen werden, um so weit wie möglich zu kommen. Das werden sie müssen, schließlich ist internationale Erfahrung entscheidend.
Erfahrung, die der Ligarivale West Ham vorweisen kann. Der Titel ist dennoch unwahrscheinlich. Wie in der Vorsaison hadern die Londoner zu sehr mit ihrer Beständigkeit. Das hinderte sie nicht daran, Conference League Meister zu werden. Doch in der 2. Klasse Europas müssen die Hammers in den Playoffs unbedingt zur vollen Schlagkraft zurückfinden. Die portugiesischen Vertreter aus Lissabon, Benfica und Sporting, sind bekannte Protagonisten auf der europäischen Bühne. Internationale Titel hat in den letzten 60 Jahren allerdings nur Ligarivale Porto holen können – Benfica zuletzt 1962.
Und Spanien? Villarreal – der noch einzige verbleibende La Liga Vertreter – bewegt sich zurecht am äußeren Rand des Favoritenkreises. Abschreiben sollte man sie deswegen nicht. Zum einen holte Villarreal bereits 2021 überraschend den Titel, zum anderen ist die spanische Vormachtstellung in Europa seit 20 Jahren nahezu ungebrochen. Dazu kommt, dass Ex-Coach Marcelino in den Kapitänssessel zurückgekehrt ist. 2012/13 manövrierte er das gelbe U-Boot aus den Tiefen des spanischen Unterhauses in die Erstklassigkeit und führte das Team 2015/16 ins Halbfinale der Europa League.
Fazit
Wir werden einen neuen Sieger sehen, so viel ist klar. Wann dieser aus der Serie A kommt, ist nur eine Frage der Zeit. Mit dem EL-Finalisten Roma und CL-Halbfinalisten Milan sind zwei überaus vielversprechende Bewerber ins Playoff-Rennen geschickt worden. Atalanta präsentiert sich grundsolide – wird aber bei einem italienischen Comeback eher keine Rolle spielen. Spätestens gegen Liverpool oder Leverkusen dürfte Schluss sein. Dies gilt jedoch für den gesamten erweiterten Favoritenkreis: Ernsthaft angreifbar sind die beiden Top-Titelanwärter nur dann, wenn sie einen schlechten Tag erwischen oder Verletzungsprobleme nicht mehr kompensiert werden können. So strotzte zeitweise das Lazarett der Reds nur so von Weltklasse.
Dann ist noch die Frage, wo Liverpool und Leverkusen in der Meisterschaft stehen. Wenn es für Jürgen Klopp und Xabi Alonso hart auf hart kommt, sich für den nationalen oder den internationalen Wettbewerb entscheiden zu müssen, dann zählt für sie nur die Liga! Darüber hinaus findet das Finale nur wenige Tage nach Ende des Ligabetriebs statt; der besonders für die Reds zehrend ist. Allen Belastungen zum Trotz werden die Spieler Liverpools Trainerlegende den einen letzten Titel schenken wollen. Den einen, der Klopp in seiner Trophäensammlung fehlt.