Sechs Jahre nach Arsenal und Chelsea stehen erneut zwei Premier League Clubs im Endspiel der Europa League. Doch wer bringt es in Bilbao zu Ende: die Spurs, die in dieser Saison jedes Duell gegen United gewonnen haben oder die Red Devils, die international noch kein Spiel verloren haben?
Viel Prestige, wenig herzeigbares
Die Buchmacher sehen hier keinen echten Favoriten und das hat gute Gründe. Die gesamte Saison war für Manchester und Tottenham von Krisen, Störfeuern und medialem Krach begleitet. United hat einen absoluten Tiefpunkt erreicht und Tottenham zementiert sukzessive seinen Ruf als selbstzerfleischender Chaos Club.
Beide tanzen seit Monaten am Abgrund zur englischen Zweitklassigkeit. Und es ist nur den historisch schlechtesten Aufsteigern zu verdanken, dass sie nicht mitten im Überlebenskampf um den Ligaverbleib verwickelt sind. Wer auch immer in dieser Begegnung als der Sieger hervorgeht, sollte in seiner Dankesrede nicht auf Ipswich, Leicester und Southampton vergessen.
Der britische Showdown steigert das Ansehen der europäischen Mittelklasse, zugleich ist die Paarung im Vergleich zu 2019 eine Farce. Dennoch – verdient haben es beide. Weil die internationalen Leistungen allem voran in der Endrunde gestimmt haben. Denn nach einer soliden, aber nicht über überragenden, Gruppenphase haben beide Mannschaften in den Playoffs geliefert.
Was bisher geschah…
Tottenhams Gegner AZ Alkmaar und Eintracht Frankfurt sind respektable Gegner. Der Bundesligist sogar EL-Sieger von 2022. Bödö/Glimt schaltete immerhin den Spitzenreiter der Gruppenphase Lazio Rom aus! Aus sechs Partien verloren die Spurs nur eine. Beileibe keine No-Names, doch die namhafteren Gegner hatte Man United.
Real Sociedad, Olympique Lyon und Athletic Bilbao – die sich als Hausherren des Endspiels fest vorgenommen haben, die Trophäe im Baskenland zu behalten. Und wenn auch Sociedad national in der Mittelmäßigkeit versandet, international muss mit den Spaniern immer gerechnet werden. Erst recht in der Europa League! Kein Land hat diesen Wettbewerb öfters gewonnen.
Nicht nur blieben die Red Devils ohne Niederlage in den drei Playoff-Begegnungen. Gegen Lyon gelang es ihnen auf spektakuläre Weise, beinahe eine 2:0-Führung in einem 2:4 Desaster enden zu lassen, nur um sich in die Verlängerung zu retten, wo sie dem Old Trafford zu Recht seinen alten Beinamen wieder zurückgegeben haben – The Theater of Dreams.

Im direkten Vergleich
Rückblickend, sprechen die EL-Leistungen für Manchester, aber stützt auch der direkte Vergleich mit dem Ligarivalen diese These? Nein! Tatsächlich wäre dieser Finalsieg das erste Erfolgserlebnis in zweieinhalb Jahren. Seit Oktober 2022 gab es dieses Duell sechs Mal und Tottenham gewann vier davon!
Allerdings sehen hier viele trotz der klaren Tendenz im direkten Vergleich die Red Devils im Vorteil. Das liegt weniger an Ruben Amorims Truppe als der suizidalen Natur von Tottenham: Es geht nicht darum, dass die Spurs seit 2008 kein einziges Finale – national oder international – gewonnen haben (EFL Cup x3, Champions League x1), sondern jeglichen Fortschritt selbst an die Wand fahren.
Nicht umsonst steht vor jeder Saison die Frage im Raum: Wie verbocken sie es dieses Mal? Die Gründe für die vorauseilenden Zweifel waren mannigfaltig und häufiger strukturell bedingt als sportlich. Aber konzentrieren wir uns aufs Sportliche, schließlich ist Tottenham in den letzten sechs Partien gegen Manchester United ungeschlagen geblieben. Wie sollen die Lillywhites diesen Lauf im Finale fortsetzen?
Wie die Spurs United schlagen können
Mit Pressing? Ange Postecoglous risikoverliebte Strategie der auffällig hohen Verteidigungslinie soll den Kontrahenten zu unüberlegten Aktionen treiben, woraus Fehler erzwungen werden. Geht die Strategie auf, kann man zum Beispiel ein sonst eiskalt agierendes Manchester City vor seinem Heimpublikum demontieren (4:0) oder wie zuletzt Manchester United drei Mal in Folge schlagen: In allen drei Partien wirkte Tottenhams aggressives Druckspiel wie ein Brandbeschleuniger für Uniteds ohnehin reichlich vorhandene Defensivschwächen.
Und diese Taktik könnte erneut aufgehen. In der Statistik der Fehler, die zu Gegentoren führen (13), rangiert Man United mit Chelsea und Aston Villa auf Platz 3. Doch während die Villans und Blues diesen Makel mit Offensivqualitäten gut kaschieren können, leidet Uniteds Offensive an Ladehemmungen. Die Kombination aus unzuverlässiger Verteidigung und ineffizientem Angriff wird für Tottenham überlebenswichtig sein.
Manchester kreiert im Spiel zwischen 24 und 25 Aktionen, die zu einem Schuss aufs Tor führen könnten. Womit Amorims Truppe im Liga Vergleich im guten oberen Drittel zu finden ist – rutscht aber ins untere Drittel, sobald es um die tatsächlichen Schüsse aufs Tor geht (unter 32%). Noch schlimmer ist die Gegenüberstellung zwischen erzielten Toren und Schüssen aufs Tor, wo man mit einem Wert von 0,23 das Schlusslicht der Liga ist.
Die Red Devils sind sehr gut darin, den Ball nach vorne zu schieben. Sobald sie sich dem gegnerischen Strafraum nähern, lassen sie den Ball wie ein Top Club zirkulieren – ohne aber eine ernsthafte Gefahr darzustellen. Weshalb United in der Statistik der Rückpässe Platz 2 belegt. Im defensiven Drittel weisen sie sogar mehr Ballberührungen auf als Southampton – kurioser Topwert mit über 8.133 Pässen. Es fehlt an Ideen, es fehlt an Optionen.

Wo Tottenham am verwundbarsten ist
Es gibt also einige Schwachstellen, die Tottenham ins Visier nehmen kann. Bedauerlicherweise sind manche Schwachstellen Manchesters auch die der Lillywhites: Die Aussetzer von United-Keeper Andre Onana mögen im schlechtesten Sinne legendär sein, aber Spurs-Keeper Vicario befindet sich mit 65,5 Prozent gehaltenen Schüssen exakt auf der gleichen Stufe mit Onana. Schlechter ist die Quote nur von Ipswich, Leicester und Wolves. Und auch bei den kassierten Toren (59) ist man wieder nur unweit entfernt von den desaströsen Zahlen der PL-Absteiger. Einzig und allein die positive Differenz von +4 Treffern lässt diesen Makel in einem besseren Licht stehen.
Wo Gegner Tottenham gerne auf dem falschen Fuß erwischen, sind die Flanken in den Strafraum hinein – nur drei Mannschaften lassen mehr zu. Hier erweist sich die hochstehende Verteidigungslinie der Nordlondoner als besonders anfällig, da sie den eigenen Kasten wie auf dem Präsentierteller sitzen lässt. Zusätzlich wurde durch die anhaltende Verletzungskrise das Problem der fehlenden Kadertiefe nur zu offensichtlich.
Postecoglous System größte Stärke ist auch seine größte Schwäche: Es kann nur mit einer eingespielten 11 funktionieren, gleichermaßen verheizt die Intesität des Systems seine wichtigsten Akteure. Zu keinem Zeitpunkt in dieser Saison konnte Ange aus dem Vollen schöpfen. Gegenwärtig fehlen Tottenahm fünf Mann, darunter absolute Schlüsselspieler wie Dejan Kulusevski und James Maddison. Beide haben zuletzt gegen United eingenetzt.
Fazit:
Ja, Tottenham hat in dieser Saison jedes Aufeinandertreffen gegen ManU für sich entschieden, aber die Red Devils haben kein einziges Spiel in der Europa League verloren. United weiß, wie man trotz Krise einen Titel gewinnen kann. Die Spurs müssen erst beweisen, dass sie nicht Geisel ihres eigenen Rufs sind: Ein Club, der keine Titel mehr gewinnen kann und dessen größter Erfolg darin besteht, dem verhassten Nachbarn Arsenal eins auszuwischen. Aber – vielleicht soll genau das jetzt ihre größte Motivation sein. Zudem hat Ange damals ein Quasi-Versprechen abgegeben, dass er bei jedem Club in seinem zweiten Jahr einen Titel geholt hat. Eine Chance hat er noch.
Unser Tipp: Vor 2024 fiel fünf Mal in Folge auf beiden Seiten jeweils ein Tor im Finale. Da in diesem Jahr zwei Ligarivalen mit einer auffällig schlechten Defensive aufeinandertreffen, sind wir uns sicher, dass beide treffen werden! Wir denken auch, dass sich an Uniteds EL-Serie nichts ändern wird und sie letzten Endes die Trophäe nach Manchester holen.
Wem dieser Tipp zu konservativ ist, kann auf den BetBuilder zurückgreifen!